GOR '97
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  Empirische Forschung online - Grenzen und Chancen von quantitativen Befragungen mit Hilfe des Internets

Peter Hauptmanns

Methode: Analyse der methodischen Probleme von Umfragen via Internet

Bei computergestützten Umfragen via Internet stellen sich zwei methodische Hauptprobleme: Erstens ist die Grundgesamtheit nicht genau bekannt, zweitens sind durch die Art der Stichprobengewinnung und durch mögliche Selektionsprozesse der Teilnehmer erhebliche Verzerrungen zu erwarten.

Ist das Medium Internet derzeit schon für Befragungen im Bereich der Sozialforschung einsetzbar? Im folgenden soll es weniger um eine prinzipielle Antwort gehen (die nur »eher nicht« lauten kann), sondern vielmehr um eine Einschätzung, für welche Art Befragungen das Internet bereits einsetzbar ist und für welche nicht. Dazu ist es notwendig zu diskutieren, wo die spezifischen Hindernisse bei einer Befragung über das Internet liegen. Die sind im wesentlichen die Punkte Grundgesamtheit und Stichprobenziehung.

Die WWW-Grundgesamtheit ist eine unbekannte Größe

Zur Grundgesamtheit ist zu konstatieren, daß diese noch eine weitgehend unbekannte Größe darstellt. Derzeit liegen kaum gesicherte Informationen vor, in welchem Umfang das Internet ­ und insbesondere einzelne Dienste und Angebote ­ genutzt werden. Mit anderen Worten: Es ist nur sehr wenig darüber bekannt, wie sich die Grundgesamtheit für eine Internet-Stichprobe zusammensetzt. Jene Informationen, die bisher vorliegen, stammen in der Regel selbst aus Internet-Befragungen und können damit einer Vielzahl von systematischen Verzerrungen der realisierten Stichprobe ausgesetzt sein. Zur Zeit führt die Firma Academic-Data eine für die Wohnbevölkerung der Bundesrepublik repräsentative Telefonbefragung durch, in der unter anderem auch die Computer- und Internet-Nutzung ermittelt wird. Diese Studie, deren Ergebnisse in Kürze vorliegen werden, könnte einiges Licht in das Dunkel der Internet-Grundgesamtheit bringen.

Verzerrungen durch Stichprobengewin-nung und Selektionseffekte

Eine wesentliche Ursache für Verzerrungen der Ergebnisse kann bereits die Art der Stichprobengewinnung selbst sein. Internet-Befragungen werden meist durchgeführt als

  • Massen-E-Mail-Umfrage (mit den bekannten Schwierigkeiten unerwünschter E-Mail im Briefkasten der Empfänger),
  • als gezielte E-Mail-Umfrage (die auf Anforderung verschickt wird),
  • oder als WWW-Umfrage mit verschiedenen Ankündigungsvarianten.
Während die massenhafte E-Mail-Verschickung aus verschiedenen Gründen prinzipiell abzulehnen ist (und auch nur selten als Befragungsverfahren durchgeführt wird), sind gezielte Umfragen per E-Mail oder über das WWW inzwischen durchaus üblich. Beide Varianten unterliegen aber ausgeprägten Selektionseffekten ­ mit dem besonderen Nachteil, daß über die Non-Respondents noch weniger bekannt ist, als dies üblicherweise bei CATI- oder PAPI-Umfragen der Fall ist. Da in beiden Fällen nicht von einer aktiven Stichprobenziehung ausgegangen werden kann, sind Selbstselektionsmechanismen zu unterstellen, die eine hoch-gradige Abweichung der antwortenden Population von den Non-Respondents (und erst recht von denen, die die jeweilige Umfrage gar nicht zur Kenntnis bekommen haben) befürchten lassen.

Keine Repräsentativität der Ergebnisse unterstellen

Damit wird nicht behauptet, daß Internet-Umfragen prinzipiell sinnlos sind. Fragebogentests, Expertenbefragungen mittels E-Mail oder einem WWW-Fragebogen und explorative Studien sind meines Erachtens ebenso möglich wie gezielte Befragungen unter den Besuchern einer Web-Site, um zum Beispiel deren Aufbau oder Inhalte zu optimieren. In all diesen Fällen ist aber von vornherein zu akzep-tieren, daß diese Umfragen in keiner Weise repräsentativ für die Gesamtheit der Internet-Nutzer in Deutschland oder gar für die Gesamtbevölkerung sein können.

Dr. Peter Hauptmanns, Dipl. Sozialwissenschaftler, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.
E-Mail: ph@pw2.ruhr-uni-bochum.de

 


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