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Überlegungen zu Selektionseffekten bei unterschiedlichen Formen der computergestützten Datenerhebung
Wolfgang Bandilla Methode: Analyse der methodischen Probleme von Umfragen via Internet Neben dem Problem, daß die Grundgesamtheit der Internet-Nutzer nicht genau umrissen werden kann, sind bei WWW-Umfragen besonders die auftretenden Selektionseffekte zu berücksichtigen. Eigenschaften und Ansichten der Teilnehmer können sich dadurch erheblich von Nicht-Teilnehmern und der Grundgesamtheit unterscheiden. Die Vorteile computergestützter Umfragen liegen unter anderem in der Kosten- und Zeitersparnis sowie in der verbesserten Datenqualität. Computergestützte Telefoninterviews (CATI) gehören mittler-weile auch in Deutschland zum Standardrepertoire vieler Marktforschungsinstitute, computergestützte persönliche Interviews (CAPI) kommen zunehmend zum Einsatz. Die neueste Variante stellt CAWI dar das computergestützte Web-Interview. Insbesondere Fragebogenuntersuchungen im Internet weisen offenkundig eine besondere Attraktivität auf: Mit vergleichsweise minimalen Kosten lassen sich innerhalb kurzer Zeiträume hohe Befragtenzahlen realisieren. So zum Beispiel die »WWW User Surveys« der amerikanischen GVU und die deutsche Web-Umfrage von W3B: Die siebte GVU-Umfrage im Frühjahr 1997 hatte nahezu 20.000 Teilnehmer, bei der vierten W3B-Studie beteiligten sich innerhalb von sechs Wochen über 16.000 Personen. Die Ergebnisse dieser und ähnlich angelegter Umfragen werden gerne zur Beschreibung der jeweils aktuellen Profile »typischer« Internet-Nutzer herangezogen. Wie sind aber diese Daten einzuschätzen? Die Grundgesamtheit der WWW-Nutzer ist unbekannt Telefonumfragen und persönlichen Interviews liegen in der Regel Stichprobendesigns mit Zufallsstichproben zugrunde. Bei WWW-Umfragen ist dies bekanntermaßen nicht der Fall, da über die Grundgesamtheit der Internet-Nutzer, sei es global oder zum Beispiel nur regional auf Deutschland bezogen, keine validen Informationen vorliegen. Das methodische Vorgehen der auf hohe Teilnehmerzahlen ausgerichteten WWW-Umfragen erinnert an das vielzitierte »Literary Digest Desaster« aus den Anfangszeiten der Umfrageforschung. Die im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 1936 durchgeführte Umfrage zur Wahlabsicht erbrachte bei einer Zufallsstichprobe von 50.000 Personen eine deutlich bessere Prognose gegenüber der vom Literary Digest Magazine veranstalteten Umfrage, die an 10 Millionen Amerikaner gerichtet war, von denen 2,3 Millionen antworteten. Ursache für die schlechte Prognose war die Selbstrekrutierung der Teilnehmer und in der Folge ein Selektionseffekt, wie er auch in jeder heutigen WWW-Umfrage auftreten kann. Zwar hatten an der besagten Umfrage über zwei Millionen Amerikaner teilgenommen, nahezu acht Millionen andere jedoch nicht. Die Angehörigen dieser beiden Gruppen können sich hinsichtlich vieler Merkmale (Demographie, unter-schiedliche Interessen und Wahlpräferenzen etc.) unterschieden haben. WWW-Umfragen eignen sich vor allem für Spezialstudien und Experimente
Bei den WWW-Umfragen wird der Selektionseffekt noch entscheidend
dadurch verstärkt, daß es den Personen selbst überlassen bleibt, ob
und an welcher Umfrage sie überhaupt teilnehmen eine Situation, die
gerade in Umfragen mit Zufallsstichproben vermieden wird. Hier wird
über einen Zufallsprozeß ein Sample von Zielpersonen aus der
Grundgesamtheit gezogen, die Zielpersonen werden direkt (entweder
telefonisch, persönlich-mündlich, schriftlich) kontaktiert und der
Non-Response wird durch mehrfache Nachfaßaktionen minimiert.
Dr. phil. Wolfgang Bandilla ist Projektleiter am Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (GESIS-ZUMA) in Mannheim. |
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