GOR '97
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  Verzerrungen im Computer-Interview?

Kersten Vogt

Methode: Ergebnisvergleich einer Befragung per Disk-by-Mail und E-Mail

Diese Studie zeigt: Im Hinblick auf technisch bedingte Verzerrungen erzielen Befragungen per Computer eine vergleichbare Datenqualität wie herkömmliche Erhebungsverfahren.

Nachdem Computer bei der Auswertung von Umfragedaten schon lange unverzichtbar geworden sind, werden sie zunehmend auch als Instrumente zur Datenerhebung eingesetzt. Gängige Praxis sind mittlerweile das computergestützte Telefoninterview (CATI) und die Laptop-gestützte persönliche Befragung (CAPI). Auch Disk-by-Mail-, E-Mail- und Internet-Befragungen kommen schon vielfach zum Einsatz.

Die Vorteile computergestützter Befragungen finden in der Regel wohlwollende Beachtung, während die Nachteile weniger bedeutsam erscheinen. Der einstweilen wohl gravierendste Nachteil liegt in der kaum möglichen Beurteilung der Datenqualität.

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden Aufrufe zur Teilnahme an einer Umfrage in verschiedenen Foren der Online-Dienste CompuServe und T-Online sowie im Internet plaziert. Das Befragungsprogramm wurde auf Diskette oder per E-Mail versandt und stand einen Monat lang in einem CompuServe-Forum zum Download bereit. Ziel des Projekts ist einerseits eine Bewertung der Daten im Vergleich zu herkömmlichen Erhebungsverfahren. Der Fragebogen enthielt zu diesem Zweck einige Fragen einer etwa zeitgleich vom Zentrum für Umfragen Methoden und Analysen in Mannheim (ZUMA) durchgeführten persönlich-mündlichen Befragung (ALLBUS 96). Nach entsprechender Gewichtung der ALLBUS-Daten wird es hier insbesondere um die Analyse der Vermeidbarkeit von Interviewer-Effekten bei Computerbefragungen gehen. Zweitens wurde analysiert, inwieweit aus herkömmlichen Verfahren bekannte Verzerrungsursachen auch in Computerbefragungen wirken. Zu diesem Zweck variierten wir in zwei Versionen des Befragungsprogramms die Darstellung der Fragen.

Von den per E-Mail gegebenen Teilnahmezusagen wurde nur knapp die Hälfte eingelöst, beim Diskettenversand dagegen etwa drei Viertel. Die E-Mail-Teilnehmer antworten dabei aber nicht weniger konsistent als die Teilnehmer im Disk-by-Mail-Verfahren. Die E-Mail-Kommunikation ist also nicht unbedingt oberflächlicher im Sinne minderer Qualität, aber sie erscheint flüchtiger und weniger sozialverbindlich.

Bei Rekrutierungsverfahren, die - wie die hier eingesetzten Aufrufe zur Teilnahme und in gleichem Maße wohl auch Internet-Umfragen ­ komplett auf Frei-willigkeit beruhen, ist zumindest teilweise mit starken Selbstselektionseffekten zu rechnen. Personen, von denen angenommen werden kann, daß sie relativ viel freie Zeit zur Verfügung haben (wie jüngere und ältere Kinderlose, Schüler, Studenten, Arbeitslose und Teilzeitbe-schäftigte), sind in der vorliegenden Stichprobe überrepräsentiert. Gleiches gilt für Personen mit höheren Bildungsabschlüssen.

Inhaltliche Ausstrahlungseffekte sind bei der Variation der Reihenfolge der Statements in Fragenbatterien nicht erkennbar. Dafür existieren leichte Anzeichen für Ausstrahlungseffekte in die Richtung, daß Befragte versuchen, konsistente Antworten zu geben. Bei Selektivfragen mit mehreren Antwortvorgaben zeigten sich deutliche Primacy-Effekte. Die Variation von Skalen führte nicht zu nachweisbaren Verzerrungen.
Insgesamt zeigt sich, daß unter dem Gesichtspunkt technisch bedingter Verzerrungen die Datenqualität von Computerbefragungen mit jener von herkömmlichen Erhebungsverfahren vergleichbar ist.

Kersten Vogt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Hamburg.
E-Mail: so4a041@sozialwiss.uni-hamburg.de

 


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