GOR '97
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  Die Konstitution sozialer Netzwerke durch Threads

Christian Stegbauer
und
Alexander Rausch

Methode: Untersuchung der Kommunikationsstrukturen einer Mailing-Liste anhand der Mail-Header und einer E-Mail-Befragung

Diese Fallstudie zeigt: Das Kommunikationsverhalten der Mitglieder einer Mailing-Liste ist unterschiedlich. Eine Kerngruppe um den Listengründer interagiert in hohem Maße untereinander.

Wir schlagen die Konstruktion von Kommunikationsnetzwerken mit Hilfe der Mail-Header in Mailing-Listen vor. Genauer gesagt sind es zwei Ideen, die hier miteinander kombiniert werden: Erstens die Analyse von Netzwerken durch Blockmodelle, die, wie Breiger und andere anhand verschiedener Beispiele zeigen konnten, mit geringen Voraussetzungen zu validen und reliablen Ergebnissen kommt. Zweitens die Idee, daß soziale Beziehungen in einer Mailing-Liste durch "sinnhaftes Aufeinander-beziehen" (Max Weber bei der Definition von sozialem Handeln) und Interaktion konstituiert werden. Der Bezug aufeinander wird durch sogenannte Threads hergestellt, also Sequenzen von Mails zu ein und demselben Thema. Eine gemeinsame Beteiligung an einem Diskussionsgegenstand konstituiert somit die Beziehungsmatrix.

Die aus der Verarbeitung der Mail-Header gewonnenen Beziehungsdaten benutzen wir, um mit Hilfe der Blockmodellanalyse verhaltensäquivalente Gruppen zu identifizieren. Bei der Blockmodellanalyse handelt es sich um ein Klassifikationsverfahren, welches das untersuchte Kollektiv in Cluster (Blocks) einteilt, wobei ausschließlich die Beziehungsdaten, nicht aber weitere eindimensionale Merkmale benutzt werden. Die ermittelten Gruppen (Blocks) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Binnenstruktur und ihrer Beziehungen untereinander. Unser Verfahren ermöglicht auf einfache Weise, Beziehungsstrukturen in Computernetzwerken sichtbar zu machen, und es läßt sich analog zur Analyse von beliebigen Mailing-List- oder Newsgroup-Archiven verwenden. Diese sind in großer Zahl im Internet verfügbar. Gängige Theorien zur computergestützten Kommunikation gehen aufgrund weitgehend fehlender askriptiver Merkmale der Kommunikationsteilnehmer von einer angeglichenen Beteiligungschance aller aus. Die in unserer Fallstudie sichtbar gewordenen Strukturen zeigen jedoch folgendes Bild: Eine Kerngruppe um den Listengründer interagiert in hohem Maße untereinander. Die Blockstruktur weist auf ein Zentrum-Peripherie-Muster hin. Die Aktivitäten in der Liste und deren Attraktivität ist abhängig von der Initiative einiger weniger Teilnehmer.

Die als Diskussionsforum um ein politisches Thema fungierende Liste enthält aber nur einen geringen Diskussionsanteil. Bei der Mehrzahl der Nachrichten handelt es sich um Anfragen, Hinweise und Ankündigungen. Über die Stärke und inhaltliche Charakterisierung der sich konstituierenden sozialen Beziehungen vermag man auf Basis der Blockmodellanalyse nur sehr rudimentäre Aussagen zu treffen. Daher ergänzen wir die Blockmodellanalyse mit einer Befragung per E-Mail, deren Grundgesamtheit sich aus den Teilnehmern der Mailing-Liste zusammensetzt. Dies ermöglicht zudem, die Beziehung der passiven Teilnehmer zur Liste zu untersuchen. Wichtigere Ziele der Befragung sind jedoch die Überprüfung der durch die Blockmodellanalyse abgeleiteten Hypothesen über die Struktur des Netzwerkes und die Klärung der Frage, inwieweit die sozialen Beziehungen innerhalb des Netzes aus anderen Bereichen präkonstituiert wurden bzw. über das Netz hinausreichen.

Dr. Christian Stegbauer
E-Mail: stegbauer@soz.uni-frankfurt.de
Dipl.-Math. Alexander Rausch
E-Mail: rausch@rz.uni-frankfurt.de

 


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